Ondine ODE 924-2
1 CD • 63min • 1999
01.02.2000
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Diese Ersteinspielung der fünften (1998) und dritten Sinfonie (1993) leistet ihrem Komponisten Pehr Henrik Nordgren (Jg. 1944) einen Bärendienst. Im Programm zur deutschen Erstaufführung (mit den Münchner Philharmonikern unter Juha Kangas, November 1997) nannte Christoph Schlüren die Dritte treffend eine "Apotheose der unheilen Welt" und erläuterte ausführlich ihren Hintergrund. Nordgren stellt demnach die Kernfrage "Was ist normales, was ist abnormales Leben?" und unterstreicht sie durch eine Struktur, in der die herkömmlichen vier Sinfoniesätze um zwei Zwischenspiele des Soloklaviers ergänzt werden. Das erste (Tr. 2) reflektiert die leidvolle Erfahrung der vorherigen "Wehklagen", welche Zitate aus Nordgrens Kammeroper nach Tschechows Der schwarze Mönch enthalten; das zweite (Tr. 4) nach dem mysteriösen Choral ist ein bewußter Fremdkörper, der nichts mit dem Material der Sinfonie zu tun hat und nur die Voraussetzung schafft für eine Art antithetischen "Deus ex machina", denn die "Herausforderung" (Tr. 5) beschreibt die sinnlosen Kämpfe unserer Alltagswelt in ihrer ganzen Rücksichtslosigkeit. Das Finale (Tr. 6) ist nurmehr Nachwort, thematisiert die Ausweglosigkeit unserer Zeit durch Rückbezug auf den Kopfsatz und Einarbeitung von Schlüsselgedanken aus Nordgrens Oper Alex, in der ein Yuppie, der aus Liebe zu einer Terroristin selbst Terrorist wurde, zu spät erkennt, daß es hinter dem Morden keine Ideologie mehr gibt. Eine Sinfonie also für den Menschen unserer Zeit, in einer gut verständlichen, eindrucksvollen Tonsprache geschrieben. Und von all dem erfährt man schon im Booklet-Text von Kimmo Korhonen - nichts! Der Hörer erhält keinerlei Hilfe; es gibt weder Abschnittsbezeichnungen noch Track-Indizes, die besonders in der Fünften hilfreich wären. Überdies scheint den Dirigenten Sakari Oramo Nordgrens Musik in keiner Weise zu berühren. Im Gegenteil ebnet er oft Kontraste ein und nimmt Klangballungen die Schärfen. Die eröffnenden Lamentations durchzieht gelangweilte mezzoforte-Nüchternheit, das folgende Klavier-Postlude wirkt so völlig deplaziert. Der Choral entfaltet keine visionäre Glut. Defiance (Tr. 5) ist in seiner unerbittlichen Realität noch am besten getroffen, wirkt aber gerade dadurch angesichts des nichtssagenden Restes wie ein Fremdkörper, und in dem viel zu schnell genommenen Epilog (Tr. 6) können sich die Klänge nicht in optimaler Wirkung entfalten. Oramo hat damit das Werk regelrecht zerstückelt. Für Oramos Interpretation der einsätzigen, aber ebenfalls etwa halbstündigen Fünften gilt ähnliches. Der Dirigent hat kein Gefühl für die Organisation von Steigerungen und beraubt die folgenden Durchbrüche ihrer Wirkung. An der effektiven Darstellung überlagerter Klangschichten scheitert er ebenso kläglich wie an der finalen Schlußsteigerung (ab Tr. 7, 28'57). Das Orchester spielt mit Einsatz und aller gebotenen Professionalität, kann aber angesichts der wenigen Vorgaben des Dirigenten nichts retten. Bleibt zu wünschen, daß sich bald ein berufenerer Maestro der Sinfonien von Nordgren annimmt.
Dr. Benjamin G. Cohrs [01.02.2000]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Pehr Henrik Nordgren | ||
1 | Sinfonie Nr. 3 op. 88 (1993) | |
2 | Sinfonie Nr. 5 op. 103 (1998) |