Anzeige

Teilen auf Facebook RSS-Feed Klassik Heute
Klassik Heute - Ihr Klassik-Portal im Internet

CD • SACD • DVD-Audio • DVD Video

Besprechung CD

Beethoven

Piano Sonatas
Marlo Thinnes

Telos Music TLS 256

2 CD • 2h 22min • 2022, 2023

29.01.2024

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

Allein die schiere Menge neuer oder vollendeter Gesamtaufnahmen der 32 Beethovenschen Klaviersonaten im zeitlichen Umfeld seines 250. Geburtstags dürfte jeden Rezensenten überfordern, dabei auch nur einigermaßen den Überblick zu behalten. Nun, da der ganz große Hype erstmal wieder vorbei zu sein scheint, ist es wohltuend, wenn ein Künstler einen neuen Sonatenzyklus – wie lange üblich – mit Bedacht erst nach und nach auf den Markt bringt. Im Falle des Saarländers Marlo Thinnes, der vor allem bei Jean Micault und Robert Leonardy studierte, hatte man nach einer absolut überzeugenden Box sämtlicher Violinsonaten mit Ingolf Turban seinen Blick auf die Klaviersonaten fast sehnlichst erwartet; nun ist die erste Doppel-CD erschienen.

Gleich vier der bekanntesten „Namens-Sonaten“

Wenn mit diesem Album gleich vier der bekanntesten „Namens-Sonaten“ mit auf dem Programm stehen – Pathétique, Appassionata, Mondschein- und Waldsteinsonate –, wird sich mancher Hörer fragen, ob der Pianist so nicht zu viele Trümpfe verfrüht aus der Hand gibt. Nein – Thinnes beweist gerade mit den drei übrigen Stücken, dass er Beethovens besonderen Qualitäten nicht nur absolut und durchgängig vertraut, sondern zudem ganz persönliche Akzente setzen kann; mit erstaunlicher Konsistenz. So sind seine Tempi brillant, sein Pedalgebrauch sparsam. Trotzdem gelingen sowohl ein wunderbares Legato melodischer Linien wie auch auf den Punkt wirksame Rubati, stets natürlich, nie aufgesetzt. Die gewisse Unerbittlichkeit, die der Rezensent bereits bei den Violinsonaten lobte, hat Thinnes beibehalten und – je nach Anforderung – noch weiter perfektioniert. Bei der Sonate Nr. 1 f-Moll op. 2,1 ist zwar noch der Bezug auf Haydn spürbar, jedoch in der gedanklichen Tiefe des hier noch recht kurzen Adagios, vor allem aber in der hemmungslosen Virtuosität des Prestissimo-Finales erlebt der Hörer die für Beethoven so bestimmende Willensstärke in ihrer ganzen Kraft.

Musikalische Kabinettsstücke: Opp. 22 & 31, Nr. 3

Die technisch ziemlich heikle Sonate op. 22 gilt vielen jungen Klavierspielern mehr als Prüfstein denn als musikalischer Genuss. Thinnes macht aus dem Werk ein echtes Kabinettstück: mit ausdrucksstarkem Adagio und fast wie auf einem Hammerflügel farblich ungemein sensiblem Rokoko-Finale. Geradezu sensationell und Beethovens sprühendem Ideenreichtum und Humor – etwa das verrückte Scherzo im 2/4-Takt – völlig gerecht werdend dann die Es-Dur-Sonate op. 31,3. Spätestens hier dürfte jedem Hörer klar sein, dass diese Aufnahmen allesamt höchstrangig sind.

Waldsteinsonate und Appassionata als Kür

Bei den vier bekannteren Sonaten ist der Künstler natürlich ebenso in seinem Element: Die Pathétique ist kraftvoll, gleichzeitig oft nachdenklich innehaltend. Der romantische Beginn der Mondscheinsonate kommt ohne jede Sentimentalität daher und mündet in ein furioses Gewitter. Die bis ins kleinste Detail bewusst austarierte Waldsteinsonate überzeugt mit einem Hand-in-Hand-Gehen von Empfindung und Präzision wie vielleicht seit Emil Gilels nicht mehr (nur als Beispiel: 3. Satz, Takte 175-220). In der Appassionata treibt Thinnes den perfiden Grimm schon im Kopfsatz auf die Spitze, der Presto-Veitstanz und der selbstzerstörerische Schluss sind verbatim überwältigend. Thinnes‘ Vorstellungskraft zwingt zum genauen Hinhören jenseits von Gemütlichkeit und gängigen Beethoven-Klischees; hier wird diese Musik zu einem überaus lebendigen und faszinierenden Erlebnis. Gut, dass der Pianist von Shigeru-Kawai zu einem Steinway D gewechselt hat: Die Aufnahmetechnik ist dynamisch und räumlich exzellent, lediglich an ein paar Stellen scheint nicht ganz optimale Mikrofonierung leichte Klirrartefakte zu produzieren, was nicht am Anschlag des Künstlers liegt. Auch die sehr persönlichen Bemerkungen im Booklet sind stark. Insgesamt eine ungemein durchdachte, anrührende und ehrliche Beethoven-Darbietung; man darf sich jetzt schon auf die Fortsetzung dieses Projekts freuen – klare Empfehlung!

Martin Blaumeiser [29.01.2024]

Anzeige

Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Ludwig van Beethoven
1Klaviersonate Nr. 1 f-Moll op. 2 Nr. 1 00:16:28
5Klaviersonate Nr. 8 c-Moll op. 13 (Pathétique) 00:18:35
8Klaviersonate Nr. 11 B-Dur op. 22 00:23:49
12Klaviersonate Nr. 14 cis-Moll op. 27 Nr. 2 (Mondscheinsonate) 00:14:23
CD/SACD 2
1Klaviersonate Nr. 18 Es-Dur op. 31 Nr. 3 (Die Jagd) 00:21:31
5Klaviersonate Nr. 21 C-Dur op. 53 (Waldstein-Sonate) 00:22:21
8Klaviersonate Nr. 23 f-Moll op. 57 (Appassionata) 00:23:43

Interpreten der Einspielung

Das könnte Sie auch interessieren

18.11.2023
»zur Besprechung«

Beethoven, Piano Sonatas
Beethoven, Piano Sonatas

16.03.2022
»zur Besprechung«

Nicolaus Bruhns, Cantatas and Organ Works Vol. 1
Nicolaus Bruhns, Cantatas and Organ Works Vol. 1

12.08.2020
»zur Besprechung«

Johann Sebastian Bach, Concertos for Harpsichord and Strings Vol. 1
Johann Sebastian Bach, Concertos for Harpsichord and Strings Vol. 1

10.04.2020
»zur Besprechung«

Johann Sebastian Bach, St Matthew Passion BWV 244
Johann Sebastian Bach, St Matthew Passion BWV 244

Anzeige

Klassik Heute - Ihr Klassik-Portal im Internet

Anzeige