Carl Seemann Mozart – Complete solo piano recordings
DG 477 585-6
6 CD • 6h 46min • 1949, 1951, 1952, 1953, 1954, 1955
19.04.2006
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Mit dem deutschen Pianisten Carl Seemann habe ich seit Jahrzehnten meine liebe Not. Und auch der Begleitheft-Autor Carsten Dürer (Chefredakteur der verdienstvollen Piano News) windet sich ein wenig, um des ehrenwerten Künstlers staubtrockenes Mozart-Begehren auf die halbwegs höhere Ebene des Zuchtvollen, des Objektiven und Uneigennützigen zu heben. In den Nachkriegsjahren bis 1955 mögen Seemanns im Vorfeld des musikalischen Fühlens akkurate Werkbezeichnungen willkommen gewesen sein, doch das Mozart-Bild hat sich in den folgenden Jahrzehnten doch entschieden geändert. Es reicht einfach nicht, in der hochdramatischen, unkonventionellen a-Moll-Sonate mit mechanischer Bravheit und hölzerner Tongebung über die Extremitäten des Textes hinwegzupoltern. Ich erinnere mich noch an eine Rezension in der Frankfurter Neuen Presse, als Seemann in den 60er Jahren ein Bach-Klavierkonzert im Saal der Deutschen Bank vortrug. Der Berichterstatter sprach damals von musikalischem „Graubrot“. Und genau um solche akustische Ernährung handelt es sich hier auf immerhin sechs Compact Discs, die sämtliche Sonaten (inklusive der Violinsonaten-Adaption KV 547a) enthalten und einen beträchtlichen Teil der Variationswerke, der Fantasien, Rondos und ausgewählter elegischer wie tänzerischer Einzelschöpfungen.
Für Hörer der älteren Generation wird diese Edition eine retrospektive Freude sein, vielleicht auch für jüngere Lauscher, die sich mit hochdramatischen, jazzigen Abenteuern à la Gulda, mit silbrigen Feinschliffmethoden aus den Händen einer Ingrid Haebler oder mit den ebenso harten wie gefühlsseligen Werkentscheidungen eines Mikhail Pletnevs nicht anfreunden möchten. Seemanns akademische, klang-vegetarische, jeden Anflug von Zärtlichkeit unterbindende Werkvollstreckungen sind mir – wie geschildert – absolut wesenfremd, aber sie bestätigen eine deutsche Haltung in Nachbarschaft etwa zu den klärenden, schnörkellosen Taten eines Wilhelm Backhaus, eines Conrad Hansen und eines Hans Richter-Haaser – im fulminanten Kontrast zu den sensuellen Interpretationen eines Wilhelm Kempff. Insofern ist diese Edition zu begrüßen und allen, die sich wirklich in eine Mozart-Klavierdebatte begeben wollen, zu empfehlen.
Vergleichsaufnahmen: Gulda (DG 00289 477 6130), Pletnev (DG 00289 4775788)
Peter Cossé † [19.04.2006]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Wolfgang Amadeus Mozart | ||
1 | Klaviersonate Nr. 1 C-Dur KV 279 KV 189d | |
2 | Klaviersonate Nr. 2 F-Dur KV 280 KV 189e | |
3 | Klaviersonate Nr. 3 B-Dur KV 281 KV 189f | |
4 | Klaviersonate Nr. 4 Es-Dur KV 282 KV 189g | |
5 | Klaviersonate Nr. 5 G-Dur KV 283 KV 189h | |
6 | Klaviersonate Nr. 6 D-Dur KV 284 KV 205b | |
7 | Klaviersonate Nr. 7 C-Dur KV 309 KV 284b | |
8 | Klaviersonate Nr. 8 a-Moll KV 310 KV 300d | |
9 | Klaviersonate Nr. 8 D-Dur KV 311 (KV 284c) | |
10 | Klaviersonate Nr. 10 C-Dur KV 330 KV 300h | |
11 | Klaviersonate Nr. 11 A-Dur KV 331 KV 300i (Alla Turca) | |
12 | Klaviersonate Nr. 12 F-Dur KV 332 KV 300k | |
13 | Klaviersonate Nr. 13 B-Dur KV 333 KV 315c | |
14 | Fantasie c-Moll KV 475 für Klavier | |
15 | Klaviersonate Nr. 14 c-Moll KV 457 | |
16 | Klaviersonate Nr. 16 C-Dur KV 545 (Facile) | |
17 | Klaviersonate Nr. 17 B-Dur KV 570 | |
18 | Klaviersonate Nr. 18 D-Dur KV 576 | |
19 | Klaviersonate F-Dur KV 533 (Piano Sonata, mit Rondo KV 494) | |
20 | Klaviersonate F-Dur KV Anh. 135 KV 547a | |
21 | Menuett G-Dur KV 1 | |
22 | 9 Variationen über Lison dormait C-Dur KV 264 KV 315d | |
23 | Zwölf Variationen über Ah, vous dirai-je, Maman C-Dur KV 265 KV 300e | |
24 | Allegro g-Moll KV 312 KV 590d (Sonatensatz) | |
25 | Menuett D-Dur KV 355 KV 576b | |
26 | Fantasie | |
27 | Fantasie Nr. 2 d-Moll KV 397 KV 385g | |
28 | Zehn Variationen über "Unser dummer Pöbel meint" von Christoph Willibald Gluck G-Dur KV 455 | |
29 | Rondo D-Dur KV 485 | |
30 | Rondo a-Moll KV 511 | |
31 | Adagio h-Moll KV 540 | |
32 | Neun Variationen über ein Menuett von Jean Pierre Duport D-Dur KV 573 | |
33 | Gigue G-Dur KV 574 | |
34 | Variationen über ein Originalthema A-Dur KV Anh. 137 |
Interpreten der Einspielung
- Carl Seemann (Klavier)