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Besprechung CD/SACD stereo/surround

Moor Mother

Analog Fluids of Sonic Black Holes

MDG 937 2348-6

1 CD/SACD stereo/surround • 47min • 2023

18.12.2025

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 7

Um sich dem vorliegenden Album und seinem Konzept zu nähern, muss man mit einem seiner Interpreten beginnen, nämlich mit dem Bratschisten Ian Anderson. Anderson, aus Glasgow stammend und mittlerweile in Berlin lebend, Absolvent der Royal Academy of London und früherer Solobratschist des Jugendorchesters der Europäischen Union, ist musikalisch sehr breit aufgestellt; in seiner wohl „klassischsten“ Seite fungiert er als Solobratschist des Scottish Ballet, als Bratschist des Sonar Quartetts befasst er sich vor allem mit zeitgenössischer Musik, er spielt aber auch in einer alternativen Rockband, und außerdem ist er Bratschist in Wooden Elephant, einem Streichquintett (genauer: Streichquartett mit Kontrabass), das sich vor allem Arrangements von Popmusikalben widmet. Letzteres ist auch das Ensemble, dem man auf dieser CD begegnet.

Ein Album bearbeitet für Sinfonieorchester

2021 erhielt Anderson den Auftrag, ein Album seiner Wahl für Stimme, sein Wooden-Elephant-Quintett und volles Sinfonieorchester zu bearbeiten. Anderson entschied sich für das 2019 erschienene Analog Fluids of Sonic Black Holes der 1976 geborenen US-Amerikanerin Moor Mother (bzw. Camae Ayewa, so ihr eigentlicher Name). Moor Mother wird von der Wikipedia als „Dichterin, Musikerin und Aktivistin“ beschrieben, die „einen punkig-elektronischen Rap macht“; ähnlich wie Anderson ist sie dabei anscheinend durchaus offen für alternative, experimentelle Ansätze. Die Texte (im Booklet allerdings nicht abgedruckt) sind sozial engagiert und befassen sich mit Themen wie Unterdrückung, Polizeigewalt oder Rassismus.

Moor Mother als Zentrum des Geschehens

Anderson hat dieses Album also in ein 47-minütiges Werk für Stimme (Moor Mother selbst), Streichquintett und Orchester verwandelt, bei dem alle Tracks unmittelbar oder zumindest ohne nennenswerte Pausen ineinander übergehen. Stimme und Streichquintett sind dabei elektronisch verstärkt (ob dies wirklich eine Notwendigkeit ist, wie Anderson im Beiheft schreibt, sei einmal dahingestellt, nicht nur, aber auch angesichts einer nicht unbeträchtlichen Literatur von Konzerten etwa für Streichquartett und Orchester). Wirklich als konzertierendes Ensemble tritt das Quintett dabei allerdings nicht auf, eher als immer wieder hervortretende solistische Stimmen, und ohnehin liegt – trotz für ein Popalbum gewiss überdurchschnittlich prominenter Instrumentalanteile – das unzweideutige Zentrum des Geschehens auf der Stimme von Moor Mother, mal fast klassisch deklamierend (Track 1), mal verfremdet (Wehklagen in Track 2), mal flüsternd, dann aber natürlich auch (erwartungsgemäß) im Stile einer Rapperin.

Experimentell inspiriertes Klangbild und viel Ostinates

Der ursprünglich ja elektronische Klanghintergrund animiert Anderson zu einem durchaus experimentellen, gerne mit erweiterten Spieltechniken und zusätzlichem Instrumentarium bis hin zu einer Handbohrmaschine arbeitenden Klangbild. Der engagierte, expressive Ansatz spiegelt sich u.a. immer wieder in ausgedehnten Crescendi wider, es gibt auch Passagen, die nicht unbedingt tonal gebunden sind, sondern eher von geräuschhaften Inspirationen getragen werden. Am Anfang steht eine längere instrumentale Einleitung; diese dreieinhalb Minuten Es-Moll animieren Anderson im Begleittext zu einem (m.E. sehr bemüht zeitgemäßen) „nimm das, Brahms!“, ein Vergleich allerdings, der wie auch die von Anderson postulierten Parallelen zu Mahlers Sinfonie Nr. 2 letztlich doch wenig überzeugt. Aus der Perspektive eines Freundes der sogenannten „klassischen“ Musik jedenfalls gibt es in diesem Album relativ wenig, das nachhaltig in Erinnerung bleibt. Natürlich könnte man sehr lokal argumentieren, dann und wann momentane Parallelen zu diesem und jenem Werk aufzeigen oder einen Moment der Katharsis wie das sanfte Dur im finalen Lied hervorheben (aber all dies gibt es natürlich auch in anderen, ungleich nuancierteren Werken). Was aber dominiert, ist Homophonie, sind die vielen elementaren, hartnäckig wiederholten Muster, die auf die Dauer ermüden – besonders eindrücklich dann, wenn in manchen Tracks der Sprechgesang von Moor Mother auf wenig mehr als einen rhythmischen Block trifft (bis hin zu ostinat wiederholten Trommelschlägen). Ein Album für uerschrocken Neugierige und vor allem für Fans der Künstlerin.

Holger Sambale [18.12.2025]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Moor Mother
1Analog Fluids of Sonic Black Holes (Bearb. für Stimme, Streichquintett und Orchester: Ian Anderson) 00:47:07

Interpreten der Einspielung

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