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Johann Vesque von Püttlingen

Romantische Lieder • Romantic Songs
Klaus Mertens • Volodymyr Lavrynenko

Rondeau ROP6256

1 CD • 66min • 2023

05.07.2024

Künstlerische Qualität:

Klangqualität:

Gesamteindruck:

Klassik Heute
Empfehlung

Der zeit seines Lebens in Wien tätige Johann Vesque von Püttlingen (1803-1883) war eine singuläre Doppelbegabung. Er galt als einer der profiliertesten Juristen Österreichs, dessen stetige Karriere ihn bis zum Rang eines Geheimen Rats führte, aber er war von den Zeitgenossen nicht weniger geschätzt als Komponist von Liedern in der Tradition Franz Schuberts. In seinem Salon, wo regelmäßig Hauskonzerte stattfanden, waren die bedeutendsten Tondichter seiner Epoche zu Gast – Berlioz, Liszt, Meyerbeer, Mendelssohn-Bartholdy, Loewe, das Ehepaar Schumann und viele andere. Ein Dilettant war Vesque von Püttlingen keineswegs, vielmehr hatte er eine gründliche musikalische Ausbildung genossen (u.a. bei Ignaz Moscheles) und trat gelegentlich auch erfolgreich als Sänger hervor. Seine Opern wie seine Kammer- und Kirchenmusik gerieten zwar rasch in Vergessenheit, seine Lieder jedoch beanspruchen einen festen Platz in der Geschichte der Gattung, der ihnen merkwürdigerweise im Konzert-Repertoire nicht zugestanden wird. Das vorliegende Album trägt also mit einigem Recht den Titel „Unerhört!“ Die exemplarischen Interpretationen des Sängers Klaus Mertens und seines Begleiters Volodymyr Lavrynenko machen nämlich unmissverständlich klar: man hat etwas verpasst, wenn man Vesque von Püttlingens Lieder nicht kennt.

Mehrwert der Musik

Mehr als 300 Lieder hat er unter dem Pseudonym J. Hoven geschrieben, davon allein 117 auf Texte von Heinrich Heine, mit dem ihn eine gewisse Wahlverwandtschaft verband. Wie kein anderer Komponist hatte er ein ausgeprägtes Gespür für die romantische Ironie des Dichters. Unter dem Titel „Heimkehr“ veröffentlichte er 1851 den Zyklus „Achtundachtzig Gedichte aus H. Heines Reisebildern“, den der strenge Berlioz zu Recht als „Meisterstücke von Humor, Phantasie und Grazie“ bezeichnete. Mit nie ermüdender Einfallskraft im Melodischen und in der charakterisierenden Klavierbegleitung trifft der Komponist das Wesen und die Untertexte der Dichtungen. Die Musik schafft dabei tatsächlich einen Mehrwert gegenüber den Vorlagen. In Des Waldes Kapellmeister glaubt man ein Orchester aufspielen zu hören, in der gespenstischen Ballade Der Tänzer scheint das Knochengeklapper aus Saint-Saëns Fossiles (aus: Karneval der Tiere) vorweggenommen. In den viel vertonten Gedichten Du bist wie eine Blume und Der Doppelgänger findet Vesque von Püttlingen neben den Versionen von Schumann und Schubert einen durchaus eigenen Ton. Doch auch bei den Dichtungen, die nicht nach Humor und Ironie verlangen, erkennt er musikalisch die Mehrdeutigkeit der Texte, Goethes Der Fischer etwa wird zu einem kleinen symphonischen Tongemälde.

Meisterhaft

Die 24 Titel des vorliegenden Programms sind in vier Abschnitte gegliedert (Liebe, Abschied, Schmerz, Tod), wobei die Übergänge zwischen den Themen naturgemäß fließend sind. Die Wiedergabe der „unerhörten“ Lieder durch den zum Zeitpunkt der Aufnahme 74jährigen Bassbariton Klaus Mertens ist staunenswert und schlichtweg meisterhaft. Die Stimme ist völlig intakt und in jedem Augenblick präsent, wechselt mühelos zwischen kernigen Basstönen und tenoralen Aufschwüngen und lotet pointierend alle Finessen der Texte und der Musik aus, ohne dabei je in Manierismus zu verfallen. In dem jungen ukrainischen Pianisten Volodymyr Lavrynenko hat der Sänger einen lebhaften und flexiblen Partner gefunden.

Ekkehard Pluta [05.07.2024]

Komponisten und Werke der Einspielung

Interpreten der Einspielung

• Klaus Mertens (Baß-Bariton)
• Volodymyr Lavrynenko (Klavier)