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Besprechung CD

Steffen Wolf

Essais musicaux
Works for violin, clarinet and piano

TYXart TXA21160

1 CD • 74min • 2021

07.11.2023

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Noch vor wenigen Jahren war Steffen Wolf, Jahrgang 1971, als Komponist kaum einer größeren Öffentlichkeit bekannt, und selbst heute sind (auch auf der vorliegenden CD) die biographischen Angaben zu ihm eher spärlich. Wolf lebt in Hamburg, ist auch Sänger (Tenor) und Gesangspädagoge, und der Schwerpunkt seines kompositorischen Schaffens liegt auf Vokal-, Klavier- und Kammermusik, oft mit Bezügen zu anderen Künsten. Ein Markstein seines Œuvres ist offenbar sein (gesangspädagogischer) Heine-Zyklus Ein deutscher „Vaccai“. Nachdem 2015 eine Schallplatte (sic) mit ausgewählten Werken Wolfs und vor zwei Jahren seine „Rezitationsmusik“ zu Christoph Martin Wielands Der Vogelsang auf CD erschienen ist, kann die vorliegende Neuerscheinung nun als repräsentativ für Wolfs Kammer- und Klaviermusik aus jüngerer Zeit gelten mit nicht weniger als sechs verschiedenen Werken, allesamt Zyklen von Miniaturen (so enthält die CD notabene nicht weniger als 51 Tracks zwischen 30 Sekunden und drei Minuten).

Momente des Innehaltens und kurze Blicke aus dem Fenster

In der Tat ist es ganz offensichtlich die kleine Form, die Wolf fasziniert, das Festhalten von Eindrücken und Momenten, Augenblicken. Seine Musik pendelt zwischen milder Atonalität und freier (Poly-) Tonalität, arbeitet weitestgehend mit traditionellen Spieltechniken und legt ein besonderes Augenmerk auf Transparenz, Nuancen, eine Art Spiel der feinen, eher stillen Gesten. Charakteristisch sind kurze Phrasen und Momente des Innehaltens, was temporären musikalischen Fluss und Bewegung nicht prinzipiell ausschließt, aber nichtsdestotrotz ist es gerade der Eindruck vorsichtigen Tastens, der Wolfs Musik wesentlich prägt (und vor diesem Hintergrund erscheint sein bereits erwähnter Vogelsang nun doch als typischer für Wolf, als ich es seinerzeit gedacht hätte). Dies ist keine Musik, die den Hörer bestürmt, sondern ihn vielmehr in eine Atmosphäre ruhigen, oft melancholischen Nachsinnens einlädt, Stücke wie kurze Blicke aus dem Fenster, was eine gewisse Distanz, eine Perspektive wie durch ein Medium hindurch mit einbezieht – unmittelbar oder direkt ist Wolfs Tonsprache nur selten. Was ihr etwas abgeht, ist ein gewisses Maß an Einprägsamkeit, aber ihre dezente, unaufdringliche, weitgehend unprätentiöse Art hat ihre eigenen Reize.

Fein gearbeitete Rhetorik auf kleinem Raum

Die sparsame Verwendung musikalischer Mittel und gerade das oben beschriebene Innehalten der Musik lassen sich im Essai musical I (To quiet the mind) besonders gut nachvollziehen, einem Werk für Violine und Klavier, das von Bildern von Wolfs Frau, der Künstlerin Carmen Hillers, inspiriert ist. Im Essai musical II „Abbaye Saint-Philibert“ für Klarinette und Klavier sind nicht nur die Ecksätze deutlich von Glockenklängen inspiriert, auch ein Hymnus von Hildegard von Bingen spielt eine Rolle (übrigens handelt es sich – anders als man vielleicht vermuten könnte – auch bei den Essays um mehrsätzige Werke). Als Kind nutzt eine alte Schwarzweißfotographie als Ausgangspunkt für einen Zyklus von „Kinderszenen“ (für Klavier). Besonders gelungen erscheinen hier u.a. Nr. 4, 6, 7 und 9, nicht von ungefähr allesamt Szenen (eingenickt, Trost, einsamer Tanz vor dem Spiegel, Blütenbaum im Nachtwind), die dem Wesen von Wolfs Musik in besonderem Maße nahestehen, während manche der vermeintlich ausgelasseneren Stücke zuweilen etwas bemüht klingen. Angesichts seines künstlerischen Naturells erscheint Wolf für solistische Besetzungen geradezu prädestiniert, und in der Tat überzeugen die Partita Die Zeichen der Kastanie für Violine solo und Kreise – nach Kobayashi Issa für Klarinette solo durch ihre fein gearbeitete, wohldosierte Rhetorik auf kleinem Raum, die Partita dabei expressiv, in den Ecksätzen erregt, Kreise trotz auch hier immer wieder melancholischer Note etwas lockerer, mitunter lädt die Kombination aus (von Wolf selbst gesprochenen) Haikus und Musik sogar zum Schmunzeln ein. Am Ende steht mit So listen to my lullaby, you knights and ladies fine ein Zyklus für Klavier zu vier Händen, der einmal mehr von Wielands Vogelsang inspiriert ist.

Angenehmes, intim-kammermusikalisches Album

Die Interpretationen durch die Pianistinnen Jennifer Hymer und Michi Komoto, die Klarinettistin Pamela Coats und die Geigerin Ewelina Nowicka bieten Wolfs Miniaturen kompetent und mit Sensibilität dar; besonders hervorzuheben vielleicht Nowickas vorzügliche Auslotung des expressiven Potentials dieser knapp formulierten, ihre Mittel sorgfältig wählenden und auslotenden Musik. Der Begleittext ist relativ knapp gehalten und konzentriert sich vorwiegend auf die Inspirationsquellen dieser Werke, augenscheinlich ist Wolf niemand, der größere Stellungnahmen zu seiner Person oder seiner Musik abgeben möchte. Ein angenehmes, intim-kammermusikalisches Album.

Holger Sambale [07.11.2023]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Steffen Wolf
1Essai musical I (To quiet the mind) 00:12:38
8Als Kind (Klavierbilder nach einer Photographie für Klavier) 00:11:43
20Essai musical II (Abbaye Saint-Philibert) 00:13:30
30Die Zeichen der Kastanie 00:10:51
38Kreise (nach Kobayashi Issa) 00:12:21
45So listen to my lullaby, you knights and ladies fine 00:11:29

Interpreten der Einspielung

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