Anzeige

Teilen auf Facebook RSS-Feed Klassik Heute
Klassik Heute - Ihr Klassik-Portal im Internet

CD • SACD • DVD-Audio • DVD Video

Besprechung CD

Anton Rubinstein

String Quartets op. 17 No. 2 & 3

cpo 555 544-2

1 CD • 55min • 2020

12.06.2023

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Die Musik Anton Rubinsteins (1829–1894) ist immer irgendwie präsent in den LP- und CD-Katalogen gewesen, ohne dabei aber wirklich die Raritätenecke zu verlassen. Tatsächlich war Rubinstein ja nicht nur einer der gefeiertsten Klaviervirtuosen des 19. Jahrhunderts, sondern auch ein wichtiger Organisator im russischen Musikleben seiner Zeit und – seiner eigenen Ansicht nach ganz besonders – ein sehr produktiver Komponist eines umfangreichen Œuvres, das zahlreiche verschiedene Gattungen bedient. Auf CD sind einige wenige dieser Werke in mehrfacher Ausführung, andere höchstens einmal und viele überhaupt noch nicht eingespielt worden, so etwa die Mehrzahl seiner insgesamt zehn Streichquartette. Das Reinhold-Quartett, bestehend aus Mitgliedern des Gewandhaus-Orchesters, hat für cpo bereits vor ein paar Jahren zwei seiner Quartette op. 54 einspielt, und nun folgen wiederum zwei seiner Quartette op. 17, frühe Werke aus den Jahren 1852/53.

Viel Schönes und Attraktives in klangvollem Quartettsatz

Gleich der Anfang des Quartetts F-Dur op. 17 Nr. 3, mit dem die CD beginnt, lädt zu einem vergnügten Schmunzeln ein, denn Rubinstein bezieht sich hier deutlich – und sicherlich ganz bewusst – auf Beethovens Sinfonie Nr. 6, die Pastorale also. Was folgt, ist aber eben kein bloßes Nachvollziehen des großen Vorbilds, sondern ausgehend vom „Pastoralthema“ ein eigenständiges, klang- und effektvolles, polyphon gearbeitetes Sonatenallegro. Russisches Idiom spielt in dieser Musik keine größere Rolle (anders als übrigens in manchen von Rubinsteins späteren Werken), obwohl man hier und da sehr wohl auf Figuren trifft, denen man ein gewisses nationales Kolorit zusprechen könnte (wie etwa die Staccati im Cello gegen Ende der Exposition), es bleiben hier aber eher Randerscheinungen. Auch das rhythmisch akzentuierte Scherzo besitzt recht prägnante Beethovenanklänge (in diesem Fall an das Scherzo der Sinfonie Nr. 9). Am deutlichsten ist der Einfluss Mendelssohns, der Rubinstein oft nachgesagt worden ist, wohl im Finale zu finden. Insgesamt erscheinen mir die beiden letzten Sätze etwas schwächer, weil stellenweise etwas schematischer als die ersten, aber auch hier gibt es viel Schönes, Attraktives zu entdecken, und das Ende des Quartetts mit den Zitaten aus dem ersten Satz ist ambitioniert, fast sinfonisch; etwas problematisch dabei gegen Ende vielleicht die Balance, wenn die erste Violine bei der Apotheose des zweiten Themas extrem hoch geführt wird.

Bach’sche Fugen und Sphärenmusik

Auch das Quartett c-moll op. 17 Nr. 2 beginnt mit einer Referenz, diesmal aber an Bach, denn hier wird das barock geprägte erste Thema im Stile einer veritablen Fugenexposition vorgestellt. Bis zum (romantisch-zeitgenössischen) zweiten Thema stellt Rubinstein dann peu à peu die Verbindung zur Gegenwart her. Das Scherzo ist eine Art Mendelssohn’scher Elfenspuk, jedoch gekoppelt mit robusten Beethoven’schen Akzenten, der langsame Satz ein kurzes Charakterstück, ein Lied ohne Worte, durchwegs mit Dämpfer und in eher hohen Lagen vorgetragen und nicht umsonst auch separat als „Sphärenmusik“ publiziert. Das gewichtige, passionierte Finale schlägt in dramaturgischer Sicht den Bogen zum Kopfsatz, ein klassisches „per aspera ad astra“, das interessanterweise etwas an Chopins Revolutionsetüde erinnert.

Kultivierte Interpretationen

Das Reinhold-Quartett legt beherzte, die einprägsame, leicht ins Ohr gehende Melodik von Rubinsteins Musik ausgesprochen kantabel nachvollziehende Interpretationen dieser Werke vor, teilweise (im Quartett Nr. 3) inklusive gelegentlicher Portamenti. Gelegentlich könnten die Kontraste in Dynamik, manchmal auch Artikulation, noch eine Spur stärker ausgereizt werden und das rhythmische Element pointierter realisiert werden (z.B. im Scherzo des Quartetts Nr. 3). Andererseits: vom Quartett Nr. 2 liegt eine Alternativeinspielung aus dem Jahre 1992 mit dem Royal Copenhagen String Quartet vor, und während man im Kopfsatz noch den etwas passionierteren Ansatz der Dänen leicht vorziehen mag, ist auf das ganze Quartett gerechnet das Reinhold-Quartett das deutlich kultivierter und differenzierter aufspielende Ensemble. Exemplarisch zu beobachten etwa im Scherzo, wo das Reinhold-Quartett nie ruppig oder aggressiv wirkt und im Trio das Tempo ganz leicht anzieht, was sich hier auch angesichts des hier vergleichsweise einfachen Materials als kluge Entscheidung erweist.

Engagierter Begleittext

Hervorzuheben ist der Begleittext von Ann-Kathrin Zimmermann, der die Werke sehr eingehend diskutiert und dabei den Hörer auf etliche Details jenseits des Offensichtlichen hinweist. Ich würde zwar sicherlich nicht so weit gehen, die Werke auf eine Stufe mit den Gattungsbeiträgen von Mendelssohn und Schumann zu stellen, aber um unterhaltsame und sehr ansprechende Quartette handelt es sich nichtsdestoweniger, Musik eines Könners, die ihre Einflüsse nicht leugnet, ohne bei ihnen zu verharren. Bleibt also zu hoffen, dass drei weitere CDs mit den übrigen sechs Quartetten folgen werden.

Holger Sambale [12.06.2023]

Anzeige

Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Anton Rubinstein
1Streichquartett F-Dur op. 17 Nr. 3 00:28:48
5Streichquartett c-Moll op. 17 Nr. 2 00:26:21

Interpreten der Einspielung

Das könnte Sie auch interessieren

12.06.2023
»zur Besprechung«

Anton Rubinstein, String Quartets op. 17 No. 2 & 3
Anton Rubinstein, String Quartets op. 17 No. 2 & 3

16.03.2022
»zur Besprechung«

Nicolaus Bruhns, Cantatas and Organ Works Vol. 1
Nicolaus Bruhns, Cantatas and Organ Works Vol. 1

12.08.2020
»zur Besprechung«

Johann Sebastian Bach, Concertos for Harpsichord and Strings Vol. 1
Johann Sebastian Bach, Concertos for Harpsichord and Strings Vol. 1

10.04.2020
»zur Besprechung«

Johann Sebastian Bach, St Matthew Passion BWV 244
Johann Sebastian Bach, St Matthew Passion BWV 244

Anzeige

Klassik Heute - Ihr Klassik-Portal im Internet

Anzeige