Peter Barcaba
Streichquartette

EigenArt 10560
1 CD • 57min • 2017
21.11.2018
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Der Österreicher Peter Barcaba, 2017 im 70. Lebensjahr gestorben, betonte, „...dass die Wiederentdeckung der Tonalität zu den größten Abenteuern seines Musikerdaseins zählte“. Seine Streichquartette op. 22 und op. 44, von denen das letztere 2016 seine Uraufführung erlebte, lassen nicht auf den Gedanken kommen, er hätte sie je verloren. In beiden Werken zeigt sich Barcaba als traditionsorientierter Komponist, der nicht davor zurückschreckt, Klangkombinationen zu erfinden, die sich eindeutig als Dur oder Moll, Tonika oder Dominante identifizieren lassen, und auch in der Verlaufsgestaltung der Stücke Bewährtes nicht verschmäht: Die Quartette sind dreisätzige Sonaten mit schnellen Ecksätzen und langsamem Mittelsatz; im Kopfsatz von op. 44 schreibt der Komponist sogar die Wiederholung der Exposition vor. Barcaba ist allerdings kein Tonsetzer, der derlei Äußerlichkeiten bemühen würde, um krampfhaft eine Nachfolge der Klassiker zu inszenieren. Weder versucht er, frühere Stile zu kopieren, noch strebt er danach, sie, wie man sagt, ironisch zu brechen, also durch forcierte Heterogenitäten modegemäß aufzubereiten. Hier spricht einer klar und deutlich das Idiom, das ihm zum Ausdruck seiner Gedanken angemessen erscheint.
In dem eher lieblos aus einer allgemeinen Einführung, einer Wikipedia-Biographie [!] und persönlichen Notizen des Komponisten zusammengestellten Beiheft findet sich der Ausspruch Barcabas, dass im mehrstimmigen Satz sich „voll Spannung, voller Überraschungen und in idealer Ergänzung zueinander“ ein „kraftvoller Dialog unter den Stimmen“ entspinnen soll. Diesem Anspruch wird er in seinen Quartetten voll und ganz gerecht. Auch zeugt die abwechslungsreiche klangfarbliche Gestaltung davon, dass Barcaba ein phantasievoller Instrumentator ist. Der Komponist weiß, wo es ihm geeignet erscheint, mit spannungsvollen Dissonanzen zu überraschen, die so im 19. Jahrhundert nicht geschrieben worden wären, findet es aber auch überhaupt nicht schlimm, an anderen Stellen einfache Dur-Melodien zu verwenden, wie etwa das ins Ohr fallende Kontrastthema des Kopfsatzes von op. 44. Ein Großteil der Musik baut auf recht kurzen und prägnanten Motiven auf, die mitunter rhythmisch aufhorchen lassen. Die Verarbeitung der Gedanken geschieht angenehm kontrastreich und fast durchweg fesselnd. Lediglich im Finale des Zweiten Quartetts scheint mir der Quell der Inspiration nicht ganz so lebhaft gesprudelt zu haben, wird durch zu lang ausgesponnene gemächliche Passagen der Schwung des Anfangs ausgebremst.
Das Jade-Quartett ist Widmungsträger beider Streichquartette und wirkt mit den Werken innig vertraut. Der Komponist äußerte sich begeistert über das Ensemble, was man angesichts der vorliegenden Darbietungen gut verstehen kann.
Die CD schließt mit einem Gelegenheitswerk, das Barcaba anlässlich der Hochzeit seines Sohnes geschrieben hat: einer Vertonung des Hoheliedes, die man durchaus eine Bereicherung des Repertoires streichquartettbegleiteter Vokalmusik nennen kann. Als rhythmisch und melodisch besonders liebevoll gestaltet, sticht der als Refrain wiederkehrende Vers „Ich bin krank vor Liebe“ heraus. Obwohl die Sopranistin Yuko Kakuta sich merklich um Wortverständlichkeit bemüht, wäre es nicht verkehrt gewesen, den (gekürzten und bearbeiteten) Text im Beiheft abzudrucken.
Sehr gern hätte ich dort auch mehr über die Werke selbst gelesen, etwa darüber, inwiefern sich Mariä Flucht aus Ägypten, so der Titel des Quartetts op. 22, in dem Werk widerspiegelt. Zu Beginn flieht im fugierten Satz eine Stimme vor der anderen, später finden sich Stellen, die Topoi geistlicher Musik aufgreifen. Gewiss gehen die programmatischen Anregungen noch weiter. Das wichtigste freilich ist: Es ist gute Musik. Ich freue mich, sie kennengelernt zu haben und empfehle sie gern zur Beachtung (und Aufführung).
Norbert Florian Schuck [21.11.2018]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Peter Barcaba | ||
1 | Streichquartett op. 22 (Mariä Flucht aus Ägypten, Dem Jade Quartett gewidmet) | 00:24:28 |
4 | Streichquartett g-Moll op. 44 (Dem Jade Quartett gewidmet) | 00:25:00 |
7 | Das Hohelied (A. T. - Gottfried und Nicole Barcaba als Hochzeitslied gewidmet) | 00:07:34 |
Interpreten der Einspielung
- Jade Quartett (Streichquartett)
- Yuko Kakuta (Sopran)