Revive
Elīna Garanča
DG 00289 479 5937
1 CD • 61min • 2016
04.11.2016
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Die lettische Mezzosopranistin Elīna Garanča, in französischen Partien und im italienischen Belcanto-Fach seit langem an der Weltspitze, ist vor einigen Monaten vierzig Jahre alt geworden und denkt nun ernsthaft über einen Fachwechsel in die dramatische Richtung nach. Mit Mascagnis Santuzza, die sie Ende des Monats in Paris erstmalig singen wird, könnte ein neues Kapitel in ihrer Karriere beginnen.
Diesen Zukunftsperspektiven versucht ihr neues Album Rechnung zu tragen. Die Auswahl der Arien ist gleichwohl noch sehr unentschieden, denn Garanča sichert sich in ihrem lyrischen Kernrepertoire ab – mit der oft von ihr gesungenen Charlotte aus Werther, aber auch mit Mignons „ Schlager“ „Connais-tu le pays“. Das französische Repertoire dürfte weiterhin eine Stärke von ihr bleiben. Dalila, Massenets Hérodiade und Henry VIII (Partie der Anne) bewegen sich ebenso in einem lyrisch-dramatischen Grenzbereich wie Didon in Berlioz’ Les Troyens.
Sehr vorsichtig begibt sich die Sängerin auf neues Terrain. So singt sie Ebolis lockeres maurisches Lied, macht aber noch einen Bogen um „O don fatale“. Musetta in Leoncavallos Bohème-Version ist einem lyrischen Mezzo ebenso zugänglich wie Preziosilla in La forza del destino, wo der Einsatz im Rataplan-Chor neben dem Peng in der Höhe vor allem vokale Agilität verlangt.
Nicht besonders informiert zeigt sich Garanča, wenn sie mit der Rolle der Laura in Ponchiellis La Gioconda liebäugelt und bedauernd konstatiert, dass dieses Werk selten gespielt werde und sie nicht wisse, wer dann die anderen Rollen übernehmen solle. Tatsächlich wird diese Oper sehr häufig gespielt – die Inszenierung von Filippo Sanjust an der Deutschen Oper Berlin hielt sich über vier Jahrzehnte im Spielplan – und jeder Intendant, der eine geeignete Primadonna und einen attraktiven Tenor zur Verfügung hat, wird sie gerne ins Repertoire nehmen und sich dabei um die Besetzung der Laura nicht allzu viele Sorgen machen. Deren Arie „Stella del marinar“ ist übrigens eine ziemlich uninspirierte Nummer und kaum als Vorzeigestück geeignet, die Rolle gewinnt überhaupt erst in der folgenden Auseinandersetzung mit Gioconda Profil.
Ähnlich steht es mit der Prinzessin von Bouillon aus Cileas Adriana Lecouvreur, die allerdings mit der Arie „Acerba voluttà“ mehr auftrumpfen kann. Hier fehlt es Garanča an Power in tieferen Lagen, wenn man Fedora Barbieri oder Fiorenza Cossotto zum Vergleich heranzieht. Interessanterweise hat sie auch Adrianas berühmte Auftrittsarie „Io son l’umile ancella“ in das Recital aufgenommen – eine reine Sopranpartie, die sie vokal ohne Probleme meistert. Geht die Reise vielleicht in diese Richtung? Auf jeden Fall lässt sich voraussagen, dass die Zukunft der Sängerin in Rollen liegt, die auch von Sopranen bewältigt werden können. Etwa die Santuzza. Bei Verdi wären neben Eboli auch Amneris und Lady Macbeth vorstellbar, auch Marina in Boris Godunow wäre eine Option, doch wird in neuerer Zeit der Polen-Akt meist weggelassen.
Das sängerische Niveau dieses neuen Recitals ist hoch, wie von Garanča gewöhnt, ihr sicherer musikalischer Geschmack bewahrt sie vor Abstürzen, sie wird bei den Franzosen nie larmoyant und bei den Italienern nie vulgär, aber sie bleibt in allen Arien etwas unpersönlich, was kein Wunder ist in Partien, die man im Ganzen noch nicht beherrscht geschweige denn gesungen hat. Das Orchester aus Valencia unter Roberto Abbado bietet eine zuverlässige, aber doch deutlich mehr als routinierte Begleitung, der Chor ist bei Verdi exzellent.
Ekkehard Pluta [04.11.2016]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Pietro Mascagni | ||
1 | Voi lo sapete, o mamma (Arie der Santuzza - aus: Cavalleria rusticana) | 00:03:38 |
Francesco Cilèa | ||
2 | Acerba voluttà, dolce tortura ... O vagabonda stella d'Oriente (La Principessa di Bouillon - aus: Adriana Lecouvreur) | 00:04:14 |
Hector Berlioz | ||
3 | Ah! Ah! Je vais mourir - Adieu, fière cité (Didon - aus: Les Troyens) | 00:06:45 |
Giuseppe Verdi | ||
4 | Nel giardin del bello (Eboli, Tebaldo - aus: Don Carlo) | 00:04:44 |
Camille Saint-Saëns | ||
5 | Samson recherchant mon présence (Arie der Dalila - aus: Samson et Dalila) | 00:04:06 |
Modest Mussorgsky | ||
6 | Skučno Marine ... Kak tomitel'no i vyalo (Marina - aus: Boris Godunow) | 00:04:09 |
Francesco Cilèa | ||
7 | Ecco: respiro appena ... Io son l'umile ancella (1. Akt: Adriana - aus: Adriana Lecouvreur) | 00:03:38 |
Jules Massenet | ||
8 | Venge-moi d'une surême offense! ... Ne me refuse pas (Hérodiade - aus: Hérodiade) | 00:06:35 |
Ambroise Thomas | ||
9 | Connais-tu le pays (Mignon - aus: Mignon) | 00:05:46 |
Giuseppe Verdi | ||
10 | Rataplan, rataplan, rataplan (Preziosilla - aus: La forza del destino) | 00:03:02 |
Amilcare Ponchielli | ||
11 | Ho il cuor gonfio di lagrime ... Stella del marinar! (Laura - aus: La Gioconda) | 00:02:44 |
Jules Massenet | ||
12 | Va! Laisse couler mes larmes (Arie der Charlotte - aus: Werther) | 00:02:47 |
Ruggero Leoncavallo | ||
13 | È destin, debbo andarmene ... Marcello mio (Musette - aus: La Bohème) | 00:05:52 |
Camille Saint-Saëns | ||
14 | Reine! je serai reine! (Anne - aus: Henry VIII) | 00:03:07 |
Interpreten der Einspielung
- Elīna Garanča (Sopran)
- Cor de la Generalitat Valenciana (Chor)
- Orquestra de la Communitat Valenciana (Orchester)
- Roberto Abbado (Dirigent)