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Besprechung CD

Edition RadioMusiken Vol. 2

Suites & Overtures for the Radio

cpo 777 838-2

2 CD • 2h 13min • 2006, 2007, 2009, 2010, 2011

12.12.2014

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

Ein fast ganz in Vergessenheit geratenes Kapitel deutscher Musikgeschichte schlägt cpo mit der Edition RadioMusiken auf, die in Kooperation mit dem MDR und dem DeutschlandRadio Kultur vom Orchester der Staatsoperette Dresden unter ihrem Chefdirigenten Ernst Theis bestritten wird. Vor vier Jahren kam die erste Kassette heraus, „Leben in dieser Zeit“ von Erich Kästner und Edmund Nick. Die zweite Folge vereint Werke verschiedener Komponisten, die in der Weimarer Republik für den Rundfunk gearbeitet haben, als das Medium noch in den Kinderschuhen steckte. Sie alle waren sich der Grenzen und Möglichkeiten des Radios bewusst. Die Aufnahmetechnik war damals noch primitiv, der Klang musste von einem einzigen Mikrophon erfasst werden, also war Klarheit, Durchsichtigkeit erstes Gebot; die hellen Bläserfarben kamen deutlicher heraus als das Gegrummel der Bässe, es galt die Devise „weniger ist mehr“, denn man konnte auch mit Kammermusikformationen die Illusion eines großen Symphonie-Orchesters schaffen.

Der politisch links stehende Max Butting (1888-1976), der nach dem Zweiten Weltkrieg eine bedeutende Rolle im Musikleben der DDR spielte, war einer der ersten, die sich mit der Ästhetik der Radiomusik nicht nur praktisch, sondern auch theoretisch auseinandersetzten. Seit 1929 lehrte er an der Berliner Hochschule für Musik Rundfunkkomposition. Für ihn stand dabei die durch das Radio ermöglichte soziale Bedeutung der Musik im Vordergrund. Sein Credo: Der Komponist habe die Aufgabe, sich dem Hörer verständlich zu machen, er dürfe ihn nicht langweilen. Und er stellt kategorisch fest: „Langweilig ist alles, von dem keine Wirkung ausgeht“. Seine beiden im Auftrag des SWR und der „Berliner Funkstunde“ entstandenen Rundfunkmusiken op. 37 und op. 38 sind ein gutes Beispiel dafür, wie man die musikalische Avantgarde der Zeit (der Butting in den 20er Jahren angehörte) mit den Erfordernissen moderner Unterhaltungsmusik in Einklang bringen konnte. Die Bunte Suite op. 48 von Ernst Toch (1887-1964) geht ohne weiter reichende Ambitionen spielerisch mit Formen und Instrumentalfarben um.

In ingeniöser Form verbindet Eduard Künneke (1885-1953) in seiner Tänzerischen Suite op. 26 klassische und romantische Traditionen der Instrumentalmusik mit dem Jazz. Dieses halbstündige fünfsätzige „Concerto grosso“ (so der Untertitel), das seinerzeit sogar von den Berliner Philharmonikern ins Programm genommen wurde, hebt die willkürlichen Grenzen von E- und U-Musik vollständig auf und vermag auch einen heutigen Hörer mitzureißen. Ähnliches gilt auch für das Divertimento op. 42 von Walter Braunfels (1882-1954), das nicht nur programmatisch unterhaltenden Charakter hat, sondern auch beträchtliche kompositorische Substanz, vor allem im langsamen dritten Satz, der den Bläsern (Flöte, Klarinette, Oboe, Saxophon) wichtige solistische Aufgaben zuweist. Auch Franz Schreker (1878-1934) erkannte die neuen Möglichkeiten, die der Rundfunk dem Komponisten eröffnete, sie erfüllten ihn aber auch mit „geheimer Angst“, die Maschine könne „mit eisernen Fingern“ ins Reich der Künstler eindringen und eine „Kunstdämmerung“ einleiten. Die dem Breslauer Sender gewidmete Kleine Suite für Kammerorchester hält dann auch den überkommenen Kunstanspruch entsprechend hoch. Ganz dem Geist der ausgehenden „roaring twenties“ verpflichtet ist dagegen die fetzige Charleston Caprice von Mischa Spoliansky (1898-1985), die hier zweimal eingespielt ist - in der Rundfunkfassung von 1930 und in einem neueren Konzert-Arrangement des Dirigenten Ernst Theis.

Theis, der spiritus rector des ganzen Unternehmens, wirft sich mit Leidenschaft und großem Stilgefühl auf die Partituren, und das Orchester der Staatsoperette Dresden läuft dabei zu einer Hochform auf, die eines unserer großen philharmonischen Orchester würdig wäre. Vor allem die Bläsersolisten leisten Außerordentliches. Nur so, nur mit solchem hundertprozentigen künstlerischen Einsatz ist vergessene Musik wieder lebendig zu machen. Natürlich klingt sie heute, dank moderner Aufnahmetechnik, viel besser als sie damals am Rundfunkempfänger geklungen haben kann, aber dadurch ist die feine Faktur der Kompositionen noch besser zu erkennen. Das sehr ausführlich informierende Booklet (zum Text ist allerdings kein Autorenname genannt) ist ein weiterer Grund, für diese Folge der Edition eine einschränkungslose Empfehlung auszusprechen.

Ekkehard Pluta [12.12.2014]

Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Franz Schreker
1Kleine Suite für Kammerorchester 00:16:36
Ernst Toch
7Bunte Suite op. 48 für Orchester
Eduard Künneke
13Tänzerische Suite op. 26 für Jazzband und großes Orchester (Concerto grosso in fünf Sätzen) 00:29:52
CD/SACD 2
Mischa Spoliansky
1Charleston Caprice für großes Orchester 00:06:08
Max Butting
2Sinfonietta mit Banjo op. 37 (Erste Rundfunkmusik) 00:17:26
5Heitere Musik op. 38 (Zweite Rundfunkmusik) 00:16:58
Walter Braunfels
10Divertimento op. 42 00:19:01
Mischa Spoliansky
15Charleston Caprice for large Orchestra 00:04:27

Interpreten der Einspielung

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