
Naxos 8.557429
1 CD • 65min • 2005
22.12.2005
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Es ist praktisch unmöglich, sich über diese Aufnahme zu ereifern. Und doch geht einem nach einiger Zeit der Hut hoch – ganz so, als hinge man auf einer Landstraße hinter einem Sonntagsfahrer, der alles korrekt, nein: hyperkorrekt macht und von dem man sich verzweifelt wünscht, daß er doch nur ein kleines bißchen von den Vorschriften abwiche. Damit sage ich nicht, daß Marin Alsop und das London Symphony Orchestra langsam oder gar behäbig, gewissermaßen mit Zigarre und Hosenträgern, durch die Partitur der zweiten Sinfonie manövrierten. Nein, jedes vorgeschriebene Tempo, jeder gedruckte Phrasierungsbogen, jeder Punkt, jedes non legato ist dort, wo es hingehört; die Steigerungskurven stimmen, die instrumentale Transparenz, die blitzsauberen dynamischen Abstufungen und Nuancen – kurzum alles, was man lernen, bei genauem Partiturstudium entdecken und mit einem Orchester, mit dem man nicht per Anwalt kommuniziert, auch realisieren kann. Doch Pörtschach, der Wörthersee, die Sommerfäden dieser Musik, das warmherzige Idyll, mit dem Brahms selbst so verschmitzt kokettierte, als er seine Freunde auf eine Sinfonie mit Trauerrand vorbereitete – was immer die unvergleichliche Atmosphäre dieser Musik (wie auch des Violinkonzerts und der G-Dur-Violinsonate) ausmacht, das geht in der Genauigkeit der Wiedergabe verloren.
Eine Partitur ist nun mal mehr als eine Gebrauchsanweisung. Hier aber komme ich zu dem – zugegebenermaßen frevelhaften – Eindruck, daß nach dem Kochbuch dirigiert wird. Und diese „man nehme”-Haltung gilt noch verstärkt für die als Dessert gereichten Ungarischen Tänze, die zwar recht feurig gewürzt und fetzig aufgetragen werden, denen es aber insgesamt doch an jenem persönlichen Touch gebricht, den wir gemeinhin als Inspiration bezeichnen. So bleibt letztlich eine schön klingende Veröffentlichung, bei der ich nur einmal schmunzeln mußte: als ich mir nämlich vorstellte, was Johannes Brahms wohl gesagt hätte, wenn in seiner Gegenwart eine Frau ans Pult getreten wäre ...
Rasmus van Rijn [22.12.2005]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Johannes Brahms | ||
1 | Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 73 | |
2 | Ungarischer Tanz Nr. 1 g-Moll – Allegro molto | |
3 | Ungarischer Tanz Nr. 3 F-Dur – Allegretto | |
4 | Ungarischer Tanz Nr. 10 E-Dur – Presto | |
5 | Ungarischer Tanz Nr. 17 fis-Moll (Bearb. für Orchester) | |
6 | Ungarischer Tanz Nr. 18 D-Dur (Bearb. für Orchester) | |
7 | Ungarischer Tanz Nr. 19 h-Moll (Bearb. für Orchester) | |
8 | Ungarischer Tanz Nr. 20 e-Moll (Bearb. für Orchester) | |
9 | Ungarischer Tanz Nr. 21 e-Moll (Bearb. für Orchester) |
Interpreten der Einspielung
- London Philharmonic Orchestra (Orchester)
- Marin Alsop (Dirigent)