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Besprechung CD

CAvi-music 8553217

1 CD • 77min • 2010

25.11.2010

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Nicht nur für alle, die Dina Ugorskaja bisher hauptsächlich als „Tochter von..." eingeordnet haben, sollte ihre Schumann-CD ein Pflichtkauf sein. Erstens ist das Programm reizvoll zusammengestellt: die Kreisleriana, kombiniert mit kaum jemals gespielten Klavierstücken aus den Jahren 1853 und 1854. Zweitens findet Dina Ugorskaja gerade bei diesen Spätwerken Klänge und Farben, die oft erst beim zweiten Hören ihren Reiz entfalten, dann aber umso stimmiger erscheinen. So gelingt ihr eine fesselnde Interpretation der Gesänge der Frühe op. 133, deren irritierend-genialer Wirkung Schumann nur noch in den (hier ebenfalls vorzüglich eingespielten) Geistervariationen nahe gekommen ist. Mit visionärer, nach innen gekehrter Kraft verströmt diese Musik etwas Namenloses, Uraltes, das an Rilkes späte lyrische Grenzgänge der Sonette an Orpheus gemahnt. Die hypnotisierende Wirkung der fünf Gesänge kann vielen von Schumanns besten Einfällen absolut das Wasser reichen, allerdings nur, wenn sich jemand wie Dina Ugorskaja, die von einem unbedingten Gestaltungswillen durchdrungen ist und jede Note mit Bedeutung geradezu auflädt, des Werkes annimmt. In den dunklen Gluten ihrer hoch expressiven Klangsprache glimmt zwar stellenweise bereits das unruhige Flackern eines Scriabin, Schumanns Musik verträgt das aber erstaunlich gut.

Die sieben Stücke in Fughettenform op. 126 weisen streckenweise auf die Gesänge der Frühe voraus, sind aber (wie sollte es bei Fugen auch anders sein) in ihrer Struktur wesentlich gefestigter. Bachs Kunst der Fuge schimmert überall hindurch: die dominierende Tonart ist d-Moll, und einige Passagen könnten sogar direkt aus dem barocken Vorbild stammen, so schlackenlos hat Schumann Bachs Spätstil in seine eigene Harmonik eingepasst. Programmatisch geschickt lässt Dina Ugorskaja auf die Fughetten das Hauptwerk dieser CD folgen: in diesem Umfeld hebt die Kreisleriana mit ihrem ebenfalls in d-Moll stehenden Beginn ungewohnt archaisch an, und erst nach einiger Zeit werden wir uns bewusst, dass wir in Schumanns Leben gerade 15 Jahre zurückgesprungen sind.

Was die Interpretation der Kreisleriana angeht, so muss Dina Ugorskaja dann doch einige Federn lassen. Ihre immense Energie mündet allzu oft in einen sehr direkten, den Verlockungen des pianissimo hartnäckig trotzenden Klavierklang, dem sowohl das indirekte Licht Schumannscher Vieldeutigkeit als auch Johann Kreislers flirrende Phantastik spürbar fehlt. Einige Momentaufnahmen lassen zwar gespannt aufhorchen, etwa das aufgeregte Pochen der nachschlagenden Noten in der dritten Nummer und vor allem das Finale, das unter Ugorskajas Händen unausweichlich ins Alptraumhafte abdriftet, was nur wenigen Pianisten gelingt. Doch jene durch kunstvolle Motorik geprägten Gebilde zeigen nur die eine Hälfte von Schumanns Genie. Die andere mit ihren schwerelos schwebenden, das Herz zutiefst ergreifenden Melodien ist in dieser Interpretation deutlich unterrepräsentiert.

Dennoch ist Dina Ugorskajas Schumann-Album dem Rang des Komponisten würdig. Vor allem hat sie damit bewiesen, dass in seinem zugegebenermaßen durchwachsenem Spätwerk echte Diamanten verborgen sind, die man allerdings zu schleifen verstehen muss.

Henri Ducard [25.11.2010]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Robert Schumann
1Gesänge der Frühe op. 133 (Fünf Stücke für das Pianoforte) 00:14:22
67 Klavierstücke in Fughettenform op. 126 00:16:37
13Kreisleriana op. 16 (Fantasien für Pianoforte) 00:33:36
21Variationen über ein eigenes Thema Es-Dur WoO 24 (Geister-Variationen) 00:12:50

Interpreten der Einspielung

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